Pille danach: Der Teufel steckt im Detail – ethische Anforderungen kaum erfüllbar

Gemäss einer Erklärung von Joachim Kardinal Meissner und später der Deutschen Bischofskonferenz soll die Abgabe der „Pille danach“ nach einer Vergewaltigung unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt sein. Die Aussage, dass die „Pille danach“ nur abgegeben werden dürfe, wenn sie ausschliesslich den Eisprung hemmt, nicht aber wenn sie für den Embryo nidationshemmend wirke, ist in der Theorie wohl korrekt. Das Problem stellt sich aber in der Praxis. Kann die Wirkung bei den auf dem Markt befindlichen Wirkstoffen klar unterschieden werden? Eine generell ausschliesslich den Eisprung hemmende Wirkung gibt es aus wissenschaftlicher Sicht bei keinem dieser Präparate. Die Frage ist, ob es eine Zeitspanne gibt, während der die „Pille danach“ nur den noch nicht stattgefundenen Eisprung verhindert, so dass keine Befruchtung mehr stattfinden kann. Sie müsste also in dieser Zeitspanne nur diese eine Wirkung haben ohne Nebeneffekte, die eine Einnistung des allenfalls später doch entstandenen Embryos verhindern würden. Auch die Abgrenzung des Zeitraumes mittels Ultraschall und LH-Schnelltest ist in der Praxis nicht unproblematisch.

Wie aus dem folgenden Brief der Vereinigung der Katholischen Ärzte der Schweiz und der Europäischen Ärzteaktion e.V. hervorgeht, kann eine nidationshemmende Wirkung absolut nicht ausgeschlossen werden. Ausserdem weisen die Ärzte zurecht darauf hin, dass eine Inkaufnahme der Tötung des Embryos als „Nebenwirkung“ ethisch nicht vertretbar ist.

Die in der Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz gemachte Aussage, wonach die Vollversammlung die Notwendigkeit anerkenne, „neben der ersten Stellungnahmen zur ‚Pille danach‘ die weiteren Zusammenhänge der Fragestellung – auch im Kontakt mit den in Rom Zuständigen – vertieft zu ergründen und notwendige Differenzierungen vorzunehmen“, muss man zustimmen. Es besteht, so wie der Brief der Ärzteorganisationen zeigt, sogar dringender wissenschaftlicher Klärungsbedarf!

Zürich/Salzburg, am 16.02.2013
„Pille danach“
S. E.
Hochwürdigster Herr Kardinal, Herr Erzbischof, Herr Bischof!

Mit grosser Besorgnis haben die beiden Ärzteverbände, die Europäische Ärzteaktion und die Vereinigung der katholischen Ärzte der Schweiz die Diskussionen um die „Pille danach“ verfolgt.
Die Erklärung von S.E. Kardinal Joachim Meisner und die Erläuterungen der Pressestelle des Erzbistums Köln zur „Pille danach“ haben zu grosser Verunsicherung und Unruhe innerhalb und ausserhalb der Kirche geführt. Die wissenschaftliche Datenlage zur Wirkungsweise der „Pille danach“ ist nicht gesichert und wird in Wissenschaftskreisen kontrovers bewertet. Insbesondere eine ausschliessliche ovulationshemmende Wirkung darf als nicht bestätigt angenommen werden. Die frühabtreibende Wirkung der „Pille danach“ kann weiterhin nicht ausgeschlossen werden.
Um mit Laun zu sprechen: ‚Auch die Möglichkeit einer solchen Wirkung führt bereits zu einem kategorischen Nein auf der Ebene der Moral’… Wenn das [die Nidationshemmung, Anm. d. Verf.] aber auch nur möglicherweise so ist, dann müsste jeder, der die Verhütung als Mittel im Kampf gegen die Abtreibung propagiert, mindestens mit gleicher Intensität gegen alle abortiven ›Verhütungs‹-Mittel auftreten‘.(1)
In der Literatur bestehen hinreichende Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit auch einer nidationshemmenden Wirkungsweise beider zur Zeit verfügbaren „Pillen danach“, allein schon aus pharmakokinetischer und -dynamischer Sicht.

PiDaNa® (Anmerkung von HLI: entspricht in der Schweiz Norlevo®) : Levonorgestrel 1,5 mg
LNG muss bis spätestens 72 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden, je früher, desto besser.
LNG kann die Ovulation hemmen, wenn es 3 Tage vor dem LH-Anstieg eingenommen wird. Vom LH-Anstieg bis zur Ovulation dauert es ca. 18 Stunden. Als Beispiel zwei Zitate zu Levonorgestrel (2), das in der LNG-haltigen ‚Pille danach‘ in einer 50-fachen Dosis einer Minipille enthalten ist:

Levonorgestrel ... wirkt auf vielen Ebenen kontrazeptiv. […] Die kontrazeptive Wirkung von Levonorgestrel wird auch dadurch bestätigt, dass es eine Schwangerschaft durch Beeinflussung von Endometrium/Blastozysten unterbrechen kann.“

„Die fertilitätshemmenden Wirkungen von Levonorgestrel werden weiterhin durch seine Fähigkeit, durch Störung des Endometriums/der Blastozyste eine bestehende Schwangerschaft zu unterbrechen, bestätigt.“

Das sind Feststellungen, die durch neuere Studien noch widerlegt werden müssten! Gemäss Rella (3) spielen insbesondere Störungen der Eileitermotilität mit verzögertem Embryotransport in die Gebärmutterhöhle und eine „gestörte Zeitabstimmung zwischen der Keimes- und Endometriumsentwicklung“ eine wichtige Rolle, „die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Einnistung sind (fehlende Phasenkonkordanz)“.
Rella nimmt in mindestens 51% der Fälle eine frühabtreibende Wirkung an.

ellaOne® : Ulipristalacetat 30 mg (UPA)
UPA ist ein Progesteron-Rezeptor-Modulator, verwandt mit Mifepriston (Mifegyne® /RU 486), der Abtreibungspille. Man kann es bis 120 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr einnehmen. Es soll aber auch baldmöglichst nach erfolgtem Verkehr genommen werden.
UPA soll den Eisprung noch hemmen, wenn es kurz vor der Ovulation eingenommen wird. Dies ist aber nur noch zu 8% der Fall, wenn es nach dem LH-Gipfel eingenommen wird (4).
Bei Einnahme nach dem Eisprung hat es einen Einfluss auf das Endometrium im Sinne einer Abnahme der Schleimhautdicke und der progesteronabhängigen Entwicklung desselben, was einer nidationshemmenden Einwirkung entspricht.(5)

Als Progesteron-Rezeptor-Modulator besetzt UPA die Progesteron-Rezeptoren, beispielsweise im Eierstock, den Eileitern und der Gebärmutterschleimhaut, sodass das natürliche Progesteron dort nicht mehr andocken kann. Dies kommt einem Entzug dieses für die Einnistung und den Schwangerschaftserhalt unerlässlichen Hormons gleich. Somit kann auch für UPA eine nidationshemmende Wirkung absolut nicht ausgeschlossen werden.
Allein schon die Zeitachse der Wirksamkeit von UPA mit der ‚erfolgreichen‘ Einnahme bis 120 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr kann nicht nur auf der Ovulationshemmung beruhen. Auch die noch höhere Sicherheit von UPA spricht dafür, da unter UPA nur 2,1% Schwangerschaften auftreten, ohne UPA wären es 5,5%!

Aufgrund der nur rudimentär geschilderten Wirkmechanismen von LNG und UPA darf nicht auf eine ausschliessliche Ovulationshemmung der beiden Substanzen geschlossen werden, sondern muss auch die Nidationshemmung ernsthaft in Betracht gezogen werden. Für christlich eingestellte Ärzte kann daher die Applikation dieser Pharmaka nicht in Frage kommen.
Die lehramtlichen Äusserungen der römisch-katholischen Glaubenskongregation sind demnach weiterhin gültig und massgebend.
Eine Abwägung zwischen den ovulationshemmenden und frühabtreibenden Wirkungen mit Inkaufnahme der Tötung des Fötus resp. Embryos ist ethisch nicht vertretbar.

Die ACTIO CUM DUPLICI EFFECTU, also das Prinzip der doppelten Wirkung, wurde von Kardinal Meisner im Zusammenhang mit der Freigabe der „Pille danach“ ebenfalls angeführt.
Gemäss der katholischen Morallehre ist hierfür Voraussetzung, dass nichts in sich Schlechtes im Spiel ist, wie dies beispielsweise im ‚Bioethics Summer Course 2008′ von Prof. Joseph Tham, LC, in Rom, am Päpstlichen Athenaeum Regina Apostolorum, erläutert wurde. Prof. Tham hat die Verabreichung der „Pille danach“ auch im Falle einer Vergewaltigung ausdrücklich abgelehnt, da die Nidationshemmung in sich schlecht sei!
Er sagt hierzu: „It is not permissible, however, to initiate or to recommend treatments that have as their purpose or direct effect the removal, destruction, or interference with the implantation of a fertilized ovum.“ (6) Erlaubt hingegen seien Medikationen, welche die Ovulation, die Spermienkapazitation oder die Befruchtung verhindern. Da dies bei LNG und UPA nicht ausschließlich der Fall ist, sind sie nicht im Sinne der doppelten Wirkung anwendbar!

Man muss sich bewusst sein, dass jede „Pille danach“ vom Grundkonzept her so beschaffen ist, dass die Geburt eines Kindes verhindert werden soll. Somit wäre es illusorisch zu glauben, dass nur die Ovulationshemmung intendiert sei, zumal Vergewaltigungen – und natürlich auch sonstiger unvorhergesehener Geschlechtsverkehr – nicht nur vor der Ovulation stattfinden, sondern zu jedem Zeitpunkt im Verlaufe eines Zyklus. Der Zeitraum nach erfolgter Ovulation mit allfälliger Befruchtungsmöglichkeit muss dementsprechend zwangsläufig ebenfalls
‚abgesichert‘ sein! Und dies kann bis heute ‚zuverlässig‘ praktisch nur durch die Nidationshemmung geschehen.
Die Zukunft der ‚emergency contraception‘ sieht diesbezüglich nicht besser aus, wie folgender Ausblick zeigt: „Taken together, there is still a need to develop more effective EC methods. To ensure the highest efficacy and to cover the entire window of fertility, the ideal agents for EC also need to target the endometrium and should be possible to use on demand pre- or postcoitally.“ [Hervorh. d. Verf.] (7) Hier wird das Endometrium explizit als Zielorgan der Forschung für prä- und postkonzeptionelle Methoden benannt, was wiederum auf die Nidationshemmung hinweist.

Wir bedauern sehr, dass sich durch die aus unserer Sicht übereilte Übernahme ungesicherter wissenschaftlicher Daten eine weitere Aufweichung moralischer Prinzipien und eine fortschreitende innerkirchliche Spaltung abzeichnet.

Die beiden unterzeichnenden Ärztevereinigungen bitten Sie, die unterschiedlichen ärztlichen Bewertungen und Sichtweisen zur „Pille danach“ in Ihre weiteren Erwägungen einzubeziehen.

Mit vorzüglicher Hochachtung und verbunden im Bemühen um eine wissenschaftlich fundierte Klärung der Faktenlage zu dieser Thematik

Dr. med. Rahel Gürber
Präsidentin der Vereinigung der
katholischen Ärzte d. Schweiz VKAS

Dr. med. Bernhard Gappmaier
Erster Vorsitzender der
Europäischen Ärzteaktion e.V.

Ergeht an:
1. Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI
2. Seine Exzellenz Erzbischof Dr. Georg Gänswein
3. Monsignore Dr. Winfried König, Vatikanisches Staatsekretariat
4. Kongregation für die Glaubenslehre
5. Kongregation für das katholische Bildungswesen
6. Kongregation für die Bischöfe
7. Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen
8. Päpstlicher Rat für die Pastoral im Krankendienst
9. Päpstlicher Rat für die Familie
10. Päpstliche Akademie für das Leben
11. Fédération Internationale des Associations de Médecins Catholiques FIAMC
12. Dr. Heinrich Mussinghoff, Bischof von Aachen
13. Dr. Konrad Zdarsa, Bischof von Augsburg
14. Prof. Dr. Ludwig Schick, Erzbischof von Bamberg
15. Dr. Rainer Maria Woelki, Kardinal, Berlin
16. Michael Bautz, Diözesanadministrator von Dresden
17. Dr. Gregor Maria Hanke, Bischof von Eichstätt
18. Dr. Reinhard Hauke, Weihbischof und Diözesanadministrator von Erfurt
19. Dr. Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen
20. Dr. Robert Zollitsch, Erzbischof von Freiburg
21. Heinz Josef Algermissen, Erzbischof von Fulda
22. Lic. theol. Wolfgang Ipolt, Bischof von Görlitz
23. Dr. Werner Thissen, Erzbischof von Hamburg
24. Norbert Trelle, Bischof von Hildesheim
25. Dr. Joachim Meisner, Kardinal, Erzbischof von Köln
26. Dr. Franz-Peter Tebartz van Elst, Bischof von Limburg
27. Dr. Gerhard Feige, Bischof von Magdeburg
28. Prof. DDr. Karl Lehmann, Kardinal, Bischof von Mainz
29. Prof. Dr. Reihnard Marx, Kardinal, Bischof von München
30. Dr. Felix Genn, Bischof von Münster
31. Dr. Franz-Josef Bode, Bischof von Osnabrück
32. Hans-Josef Becker, Erzbischof von Paderborn
33. Wilhelm Schraml, Apostolischer Administrator von Passau
34. Prof. Rudolf Voderholzer, Bischof von Regensburg
35. Dr. Gebhard Fürst, Bischof von Rottenburg
36. Dr. Karl-Heinz Wiesemann, Bischof von Speyer
37. Dr. Stephan Ackermann, Bischof von Trier
38. Dr. Friedhelm Hofmann, Bischof von Würzburg
39. Dr. Jean-Claude Perisset, Erzbischof der Nuntiatur in Berlin
40. Dr. Hans Langendörfer SJ, Sekretär der Bischofskonferenz

 

Fussnoten:

1) LAUN, A., Das Kind, Zur Abtreibung in Österreich (1991), Gebetsaktion Medjugorje, Wien.
2) Zitate aus ALAN CORBIN/MICHAEL GAST, Das präklinische pharmakologische Profil von Levonorgestrel, in: A. Teichmann/A. Corbin, Levonorgestrel, Stuttgart/New York 1998, S. 7-24, hier S. 23 und S. 7.
3) 2008 by IMABE – Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik, Wien, Imago Hominis- Band 15- Heft 2• S. 121 – 129- ISSN 1021-9803
4) Brache V, et al. Immediate pre‐ovulatory administration of 30 mg ulipristal acetate significantly delays follicular rupture. Hum Reprod. 2010; 25(9):2256‐63.
5) Stratton P, et al. Endometrial effects of a single early luteal dose of the selective progesterone receptor modulator CDB‐2914. Fertil Steril. 2010; 93(6):2035‐41.
6) USCCB „Ethical and Religious Directives for Catholic Health Care Services,“ 4th edition (NCCB / USCC, June 15, 2001), no. 36.
7) Kristina Gemzell-Danielsson , Cecilia Berger, P.G.L. Lalitkumar, Emergency contraception – mechanisms of action; Contraception 87 (2012) 300-308, 2012 Elsevier Inc. Department of Women’s and Children’s Health, Division of Obstetrics and Gynecology, Karolinska Institutet/ Karolinska University Hospital, S-171 und Endometrium76 Stockholm, Sweden Received 8

Quellen / Links:

Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz vom 21.2.2013, Siehe S. 9.

Brief der VKAS und der Europäischen Ärzteaktion e.V vom 16.2.2013 im PDF-Format

HLI-Schweiz hat 2012 einen Flyer erarbeitet, der das Thema der „Pille danach“ allgemeinverständlich darstellt. Er kann hier eingesehen oder auch gedruckt bestellt werden.

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