Die NZZ und die organisierte Suizidbeihilfe

In der Ausgabe vom 7.5.11 publizierte die NZZ eine ganzseitige Annonce der Vereinigung Schweizer Medizinalrechtsanwälte (SMLA) welche die beiden Volksinitiativen im Kanton Zürich „Stopp der Suizidhilfe“ und „Nein zum Sterbetourismus“ in einem Aufruf zur Ablehnung empfehlen. Gleichzeitig wird ein Begleitartikel des Präsidenten der SMLA abgedruckt, der in die gleiche Richtung zielt. Leider übertreffen beide Publikationen kaum das Niveau von Pamphleten, welche auch keine seriöse Auseinandersetzung mit dem Thema in Gang zu setzen vermögen.
Im erwähnten Aufruf wird die Problematik der Suizidbeihilfe auf die Selbstbestimmung und die persönliche Freiheit reduziert, welche es zu schützen gelte. Dagegen werden die Initianten mit sektiererischen Gruppierungen gleichgesetzt, welche dem Stimmbürger „ihre religiöse Überzeugungen aufzwingen möchten“.  Ins gleiche Horn stösst der Präsident der SLMA, F T. Petermann. Er variiert seine Argumentation noch insofern, indem er der Ärzteschaft „heimliche Sterbehilfe“ unterstellt, was speziell im Fall der Annahme der Initiativen zu erwarten wäre.

Mit solchen Polemiken ist der Sache sicher nicht gedient. Zudem erscheinen hier bekannte vereinfachende Argumentationsmuster,  wie eine Engführung der Diskussion auf bestimmte Gesichtspunkte (Selbstbestimmung), Diskreditierung von Andersdenkenden („Sektierer“), und der Einsatz nicht belegbarer Unterstellungen mit unklaren Begrifflichkeiten („heimliche Sterbehilfe“ durch Ärzte).

Der unbefangene Leser ist zweifellos erstaunt über das grosszügige Podium, das die NZZ solch populistischen Darlegungen gewährt. Bemerkenswert ist auch, dass eine ganze Anzahl von Vertretern der akademischen Elite der Jurisprudenz und Medizin offenbar den Aufruf unkritisch unterstützt.

Demgegenüber hat sich HLI-Schweiz vor gut einem Jahr im Rahmen der Vernehmlassung des Bundesrates zur organisierten Suizidbeihilfe im Detail mit der Thematik befasst und unsere klare Ablehnung der organisierten Suizidbeihilfe eingehend begründet.

Im Fall der SLMA sei speziell darauf hingewiesen, dass Selbstbestimmung zwar zu den Menschenrechten gehört. Doch bedeutet dies nicht die Öffnung für ungebremste Willkür, indem der persönliche Wille zum Massstab gesellschaftlichen Handelns gemacht werden kann. Der assistierte Suizid hat nicht nur für das Individuum Bedeutung, sondern beinhaltet offensichtlich auch eine sozialethische Komponente. Demzufolge hat der Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg ein Recht auf Suizidbeihilfe eindeutig verneint. Für die Gesellschaft ist zudem der Lebensschutz – das Recht auf Leben ist das grundlegendste der Menschenrechte – und die Menschenwürde von grosser Bedeutung. Der Begriff der unverlierbaren Menschenwürde bedeutet auch, dass der Mensch in seiner Begrenztheit und Schwäche, in schwerer und chronischer Krankheit nicht fallen gelassen wird. Hier hat gerade die Palliative Care ihre grosse Bedeutung. HLI-Schweiz befürwortet die flächendeckende Einrichtung und Förderung entsprechender Institutionen. Diese Argumente sprechen alle gegen die organisierte Suizidbeihilfe, die es zudem an zunehmenden Tabubrüchen und Undurchsichtigkeiten nicht fehlen lässt. Diese wenigen Hinweise sind zwar nicht religiös motiviert. Doch ist nicht zu verkennen, dass das christliche Menschenbild mit dem Gebot der Nächstenliebe die ablehnende Haltung gegenüber der Suizidbeihilfe generell noch zu vertiefen vermag, indem Leid gelindert und der Leidende auf seinem Weg mitmenschlich begleitet, aber nicht „beseitigt“ werden soll. Diese Haltung hat sicher nichts „Sektiererisches“ an sich, sondern entspricht einer Jahrtausende alten christlichen Tradition.

Es sei hier auch auf Stellungnahmen der Schweizer Bischöfe zum Thema1,2 sowie auf eine aktuelle Medienmitteilung der Katholischen Kirche des Kt. Zürich mit dem Argumentarium Pro Palliative Care hingewiesen.

Quelle/Links:
NZZ vom 7.5.11, Seiten 10 (Aufruf der SLMA) und 20 (Artikel von F. T. Petermann)

 

1) Pastoralschreiben der Schweizer Bischöfe 2002

 

2) Vortrag Bischof Kurt Koch

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