Massnahmen gegen die Halbierung der Wartefrist vor Organentnahme

Am 15. Nov. 2017 ist das revidierte Transplantationsgesetz und die  Transplantationsverordnung zusammen mit den ebenfalls revidierten Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) in Kraft getreten. Der Bundesrat und die SAMW haben die gravierenden Einwände der Hippokratischen Gesellschaft, von HLI-Schweiz, der Schweizerischen Gesellschaft für Bioethik und der Vereinigung der Katholischen Ärzte der Schweiz ignoriert. Die SAMW hatte eine Vernehmlassung der revidierten Richtlinien durchgeführt, ohne darin aber die Vernehmlassungsadressaten auf die allfällige Halbierung der Wartezeit von 10 min. auf 5 min. nach dem Herz-Kreislaufstillstand bis zur Hirntoddiagnostik hinzuweisen. Eben diese Halbierung der Wartezeit wurde durch die SAMW erst im Nachhinein durch die Hintertüre beschlossen. Der Bundesrat hat seinerseits in  der  Medienmitteilung vom 18. Okt. 2017 mit keinem Wort diese einschneidende Änderung kommuniziert.

Wie die SAMW-Richtlinien in ihrer Präambel festhalten, legt das Transplantationsgesetz als Kriterium für den Tod eines Menschen den irreversiblen Ausfall sämtlicher Funktionen seines Hirns einschliesslich des Hirnstamms fest. In unserer letzten Medienmitteilung vom 6. November 2017 haben wir dargelegt, weshalb die wissenschaftlich einwandfreie Feststellung des irreversiblen Ausfalls sämtlicher Funktionen, insbesondere beim Hirnstamm, mit der Reduktion auf 5 min. nicht mehr gewährleistet ist.[1] Die SAMW konnte diesen Standpunkt nicht wissenschaftlich fundiert widerlegen. Die Konsultation der wissenschaftlichen Literatur ergibt, dass bezüglich Wartefristen kein wissenschaftlicher Konsens existiert. Die stellvertretende Generalsekretärin der SAMW hat dazu den aufschlussreichen Hinweis gemacht: „Der Anstoss zur Halbierung der Wartezeit kam von Fachpersonen, die direkt (!) in den Spende-Prozess involviert sind.“[2] Damit hat die SAMW unseren Eindruck bestätigt, dass sie die Wartezeit, die den Organspender schützen sollte, zugunsten möglichst frischer Spenderorgane verkürzte.

Die unterzeichnenden Organisationen werden sich die zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel vorbehalten, um eine entsprechende Änderung der SAMW Richtlinien «Feststellung des Todes im Hinblick auf Organtransplantationen und Vorbereitung der Organentnahme» zu erwirken.

Nur wenigen spendewilligen Personen in der Schweiz dürfte bewusst sein, dass Organe auch nach Herz-Kreislaufstillstand entnommen werden. Sie tun deshalb gut daran, die Frage zu prüfen, ob sie nicht auf ihrem Spenderausweis bzw. ihrer Patientenverfügung eine Organspende ausschliesslich auf den klassischen Hirntod nach einer primären Hirnschädigung beschränken wollen.

Der Bund wird aufgefordert, in seiner Kampagne „Rede über Organspende“, für die er jährlich 1,65 Millionen Franken ausgibt, auch ausdrücklich über die Unsicherheiten bezüglich der Organentnahmekriterien nach Herz-Kreislaufstillstand zu informieren. Nur unter dieser Voraussetzung kann in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion zu dieser ebenso wichtigen wie medizin-ethisch hoch sensiblen Thematik stattfinden.

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[1]   vgl. Heide W., «Non-heart-beating donors» sind nicht geeignet. Nervenarzt 87 (2016) 161-168.
vgl. Meeker JW, Kelkar AH, Loc BL, Lynch TJ., A Case Report of Delayed Return of Spontaneous Circulation: Lazarus Phenomenon. Am J Med 129 (2016) e343-e344.
vgl. Cummings BM, Noviski N., Autoresuscitation in a child: The young Lazarus. Resuscitation 82 (2011) 134.

[2]   Balz Bruder, Nächste Runde im Streit um die Organspende. Thurgauer Zeitung vom 10.11.2017:
http://www.thurgauerzeitung.ch/nachrichten/schweiz/naechste-runde-im-streit-um-die-organspende;art253650,5137339

 

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