Skrupellose Forscher zeugen Chimären aus Tier und Mensch

Seit Ende Juli 2019 wird in den Medien über ethisch umstrittene Forschungsvorhaben berichtet, die in Japan aufgrund von gelockerten staatlichen Regeln neuerdings durchgeführt werden können bzw. geplant sind. Involviert ist ein Team um Hiromitsu Nakauchi, der in Japan und in den USA forscht. Forschungsgegenstand sind Schweineembryonen, in welche menschliche Zellen injiziert werden. Hiromitsu will schrittweise vorgehen, bis Ferkel mit den menschlichen Zellen geboren werden. Als langfristiges Ziel geben die Forscher an, eines Tages menschliche Organe in Schweinen heranwachsen zu lassen, die für Transplantationen beim Menschen verwendet werden können. Der Tages-Anzeiger kommentierte, es stehe nicht einmal fest, welche Art von Experimenten erlaubt sein werden und mutmasste voreilig beschwichtigend: „Wahrscheinlich dürfen die Forscher nur menschliche Zellen mit sehr eingeschränktem Entwicklungspotenzial verwenden.“ Eine kurze Recherche hätte gereicht, um herauszufinden, dass genau das nicht der Fall ist. Hiromitsu Nakauchi, hat mit sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPSC) experimentiert und Bauchspeicheldrüsen von Mäusen in Ratten heranwachsen lassen und umgekehrt.

Nur einige Tage später berichtete das Deutsche Ärzteblatt, dass der spanische Forscher Juan Carlos Izpisua Belmonte in China bereits weiter gegangen ist und menschliche induzierte pluripotente Stammzellen (hiPSC) in Embryonen von nicht-menschlichen Primaten verpflanzt hat. Bei den Affenembryonen wurde zuvor die für die Bildung eines bestimmten Organes nötigen Gene ausgeschaltet. Die injizierten hiPSC sollen statt dessen die Bildung des gewünschten Organs übernehmen. Eine Publikation der Resultate ist noch nicht erfolgt.

Ein Forschungsprotokoll zeigt die Brisanz der Experimente auf

Die ersten Schritte, welche Hiromitsu Nakauchi plant, hat Juan Carlos Izpisua Belmonte und sein Team schon 2017 in der Fachzeitschrift Cell publiziert und anfangs Juni 2019 in einem Buch ein ausführliches Protokoll seiner Vorgehensweise bei Schweinen veröffentlicht. Eine Zusammenfassung genügt, um die Brisanz derartiger Experimente aufzuzeigen.

Ausgangspunkt waren menschliche Vorhautzellen. Diese wurden in menschliche induzierte pluripotente Stammzellen (hiPSC) umgewandelt. Diese entsprechen von ihrer Entwicklungspotenz her embryonalen menschlichen Stammzellen. Im Tierversuch  wurden induzierte pluripotente Stammzellen in einen künstlich erzeugten tetraploiden Embryo (jede seiner Zellen hat vier Chromosomensätze weiblichen Ursprungs) injiziert. Die tetraploiden Zellen bildeten die Plazenta und die injizierten iPSC den Embryo. Man nennt dies Embryokomplementierung. Solche Experimente haben bei Mäusen zu lebendem Nachwuchs geführt und damit die Totipotenz der iPSC bewiesen.

Indem die Forscher die hiPSC in bestimmte Kultiviermedien einbringen, sind diese gemäss ihren Aussagen nur noch pluripotent, doch sie können sich nach wie vor in alle drei Gewebetypen des Menschen entwickeln. Diese Stammzelllinien werden als „naive-like hiPSCs“ bzw. „intermediäre hiPSCs“ bezeichnet. Diese wurden mit einem fluoreszierenden Farbstoff markiert. Bei Tests zeigen diese jedoch die gleichen Eingeschaften wie embryonale Stammzellen. Vom Schlachthof wurden Eierstöcke von vorpubertären Schweinen besorgt. Die entnommenen Eizellen wurden in-vitro zur Reife gebracht und parthenogenetisch so aktiviert, dass sie zwei Chromosomensätze des mütterlichen Erbgutes aufweisen. In diese diploiden Schweineembryonen wurde ebenfalls hiPSCs injiziert und deren Verteilung nach zwei Tagen in-vitro beobachtet. Allerdings geht aus der Publikation nicht klar hervor, welches Ergebnis damit erzielt wurde.

Von weiblichen Schweinen wurden die Eierstöcke stimuliert und die produzierten Eizellen auf natürliche Weise in-vivo besamt. Zwei Tage danach werden die Embryonen herausgespült. Es wurden aber auch nur Eizellen entnommen und diese parthenogenetisch aktiviert und zu Blastozysten entwickelt. Laut der Publikation in Cell wurden dazu total 167 (!) Schweine benötigt. Von diesen wurden 1’298 Eizellen, 1’004 Zwei-Zellembryos and 91 Embryonen im Morulastadium gesammelt.

In die entstandenen Schweineembryonen wurden nach 3-4 Tagen (Morulastadium) bzw. 5-6 Tagen (Blastozyststadium) die hiPSC injiziert. 41 für eine Trächtigkeit vorbereitete Leihmutterschweine erhielten je 30 bis 50 Blastozysten mit hiPSC transferiert. Daraus resultierten 18 Trächtigkeiten. Nach 21 bis 28 Tagen wurden die trächtigen Schweine betäubt und anschliessend euthanasiert. Die durchschnittliche Trächtigkeitsdauer bei Schweinen beträgt 115 Tage. 186 der 21 bis 28 Tage alten Föten wurden dem Reproduktionstrakt entnommen. Mehr als die Hälfte hatte sich nicht normal entwickelt. Unter dem Mikroskop können die fluoreszierenden Zellen, welche aus hiPSC stammen, erkannt werden.

Bei diesen Experimenten handelt es sich klar um Grundlagenforschung. Das Ziel, transplantierbare menschliche Organe in Tieren heranzuzüchten, wird nur als guter Zweck vorgeschoben. Der ontologische Status der gezeugten Embryonen und Föten ist unklar. Da dem Menschen eine eigene Würde innewohnt, ist eine Vermischung von menschlichen Zellen in tierischen Embryonen ethisch verwerflich. Das inzwischen übliche Implantieren von Schweineherzklappen kann damit nicht verglichen werden. Wie die wenigen Bilder der Publikation des Forschungsteams von Juan Carlos Izpisua Belmonte zeigen, haben sich die hiPSC faktisch überall in den Föten verteilt. Da es auch Missbildungen gibt, ist damit wohl auch Tierquälerei verbunden, insbesondere auch in jenen Fällen, bei denen die Chimären ganz ausgetragen werden sollten.

Brisant ist der Umstand, dass diese ethisch problematische Arbeit durch die Katholische Universität San Antonio de Murcia (UCAM) unterstützt wurde.

Unbekannte Risiken – unverhältnismässiger Aufwand – aus ethischer Sicht abzulehnen

Die Risiken, die bei Xenotransplantationen gelten, dürften auch für menschliche Organe, die in Tieren heranwachsen, zutreffen, z.B. die Mutation und Übertragung von Viren auf Menschen, die sonst nur in Tieren vorkommen. Diese könnten sich durch Transplantate verbreiten. Menschliche Organe, die in Tieren heranwachsen, werden mit dem Blut des Tieres versorgt. Es ist überhaupt nicht plausibel, dass Abstossungsreaktionen in der Person des Empfängers ausbleiben. Auch bei den Versuchen mit Mäusen und Ratten des Teams von Hiromitsu Nakauchi wurde den Empfängertieren zunächst Immunsuppressiva verabreicht. Doch diese Spezies sind einander viel näher als Mensch und Schwein. Wenn eine Person ein transplantierbares Organ bekommen soll, das aus eigenen induzierten pluripotenten Stammzellen gebildet wurde, dürfte der Aufwand sehr gross sein. Es kann doch nicht sein, dass eine halbe Schweinefarm eingesetzt werden muss, um ein transplantierfähiges Organ zu erhalten. Nach den Experimenten, die bisher gemacht wurden, müssten die Tierembryonen genetisch verändert werden, so dass sie das gewünschte Organ nicht selber bilden können und das die hiPSC übernehmen. Mittels CRISPR können heute einfach genetische Veränderungen vorgenommen werden, doch die Risiken sind nach wie vor vorhanden, so dass eine Anwendung beim Menschen vorerst nicht zugelassen werden kann.

Sind in der Schweiz solche Experimente verboten?

Das Erzeugen von Chimären ist in der Schweiz gemäss Art. 119 Abs. 2 Bst. b der Bundesverfassung verboten. Im Fortpflanzungsmedizingesetz Art. 36 Abs. 1 heisst es daher wörtlich: „Wer einen Klon, eine Chimäre oder eine Hybride bildet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.“ Daher erstaunt der Kommentar in der NZZ vom 8. August 2019: „In der Schweiz sei die Manipulation von tierlichem Erbgut zwar grundsätzlich nicht verboten, schreibt die Rechtsprofessorin Margot Michel von der Universität Zürich auf Anfrage. Die gesetzliche Regelung sei allerdings lückenhaft, weil der Gesetzgeber viele Entwicklungen nicht vorausgesehen habe und die Regelungen schon älter seien. Ein konkretes Bewilligungsverfahren dürfte es daher auch in der Schweiz schwierig haben.“ Die Definition in Art.2 Bst. m  FMedG lautet: „Chimärenbildung: die Vereinigung totipotenter Zellen aus zwei oder mehreren genetisch unterschiedlichen Embryonen zu einem Zellverband. Totipotent sind embryonale Zellen, welche die Fähigkeit haben, sich zu jeder spezialisierten Zelle zu entwickeln.“ Das Stammzellenforschungsgesetz verweist bezüglich Chimären auf das Fortpflanzungsmedizingesetz.

Es ist möglich, dass hiPSC von den Forschern nicht als totipotent betrachtet werden und aus ihrer Sicht nicht unter die Definition des FMedG fallen. Welche Zellen beim Menschen noch totipotent sind und welche nicht, ist umstritten. Wenn allerdings, wie bei Mäusen belegt wurde, ein ganzer Verband von iPSC in einer tetraploiden Blastozyste als überlebensfähiger Fötus heranwachsen kann, muss man diesen Verband von iPSC m.E. als totipotent anerkennen. Selbstverständlich wäre ein solches Experiment mit hiPSC aus ethischer Sicht abzulehnen. Das würde einem Klonversuch entsprechen, denn der Embryo hätte die Erbsubstanz der Spenderzellen, aus denen die hiPSC erzeugt wurden.

Quellen:

Niederer Alan, Forscher tüfteln an Chimären aus Mensch und Tier. NZZ vom 8.8.2019.
gie, Forscher könnten erstes Mensch-Affen-Hybrid geschaffen haben. Deutsches Ärzteblatt vom 6.8.2019.
Charismas Hanno, Faszinierend und erschreckend zugleich. Tages-Anzeiger vom 1.8.2019.
D:Tiere als Ersatzteillager ethisch vertretbar. Vatican News vom 2.8.2019; vgl. Japan erlaubt Hybrid-Geburten: „Es sollen ja keine Monster entstehen.“ Domradio vom 1.8.2019.
Anrede Manuel, Spanish scientists create human-monkey chimera in China. El Pais vom 31.7.2019

Zhong C., Wu J., Izpisua Belmonte J.C. (2019) Pig Chimeric Model with Human Pluripotent Stem Cells. In: Hyun I., De Los Angeles A. (eds) Chimera Research. Methods in Molecular Biology, vol 2005. Humana, New York, NY, 101-124)
Suchy F, Yamaguchi T, Nakauchi H, iPSC-Derived Organs In Vivo: Challenges and Promise. Cell Stem Cell 22 (2018) 21-24.
Wu J, et al., Interspecies Chimerism with Mammalian Pluripotent Stem Cells. Cell 168 (2017) 473-486.e15.

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