(Zug, 3.12.2019) HLI-Schweiz hat im November 2019 durch gfs-zürich eine repräsentative Umfrage zur Organspende durchführen lassen. Gegenüber bisherigen Umfragen zu diesem Thema wurde neu die Organspendeabsicht der Befragten bei jenen Szenarien eruiert, die den zwei in der Schweiz praktizierten Organentnahmearten am Lebensende entsprechen (Hirntod/Herzstillstand). Die differenzierte Befragung brachte bezüglich des Verständnisses des Hirntodes ein grosses Informationsdefizit in der Bevölkerung zutage.
Die repräsentativen 1002 telefonischen Interviews mit Stimmberechtigten wurden in allen drei Landesteilen vom 23.10.-13.11.2019 durchgeführt. 71% der erwachsenen Schweizer Bevölkerung hat sich laut Umfrage schon persönlich mit der Organspende befasst. 70% der Befragten erklärten sich bereit, „nach ihrem Tod“ die eigenen Organe zu spenden (37% auf jeden Fall). Danach wurde die Haltung bezüglich der zwei Szenarien der Organentnahme befragt.
- 80% der Organentnahmen erfolgten im Jahr 2018 nach einer unwiderruflichen Schädigung des Gehirns. Es reagiert nicht mehr auf Stimulationen von aussen. Die künstlich aufrecht erhaltene Herzkreislauffunktion sorgt für die Durchblutung der übrigen Organe. Der Körper ist daher warm. Die hirntote Person wird als tot erklärt. Vor der Organentnahme erfolgt eine Vollnarkose. Nach der Schilderung dieses Hirntod-Szenarios sind 35% der Bevölkerung bereit, ihre Organe zu spenden. Weitere 35% sind eher bereit. Nur 28% lehnen eine Organspende sicher oder eher ab.
- 20% der Organentnahmen am Lebensende werden demgegenüber nach anhaltendem Herz-Kreislauf-Stillstand durchgeführt. Nach einer aussichtslosen Diagnose wird der Therapieabbruch beschlossen. Der Patient wird in den Operationssaal gebracht. Alle lebenserhaltenden Massnahmen werden abgeschaltet und der Herzstillstand abgewartet. Danach wird eine Wartezeit von fünf Minuten eingehalten. Der Stillstand des Herzens wird überwacht. Das Gehirn reagiert nicht mehr auf Stimulationen von aussen. Alsdann wird die Person als tot erklärt. Damit die zu entnehmenden Organe keinen Schaden erleiden, wird der Spender in der Folge sofort wieder intubiert, beatmet und die Organentnahme durchgeführt. Nach der Schilderung dieses Herzstillstand-Szenarios verbleibt die Zustimmung ebenfalls auf insgesamt 70% (33% auf jeden Fall, 37% eher ja), 27% lehnen eine solche Organspende sicher oder eher ab.
Beim Hirntodkriterium besteht in der Bevölkerung eine grosses Informationsdefizit
Unmittelbar nach diesen beiden Fragen zu den beiden Organentnahme-Szenarien wurden die Befragten damit konfrontiert, dass der Hirntod als solcher ein unter Ärzten umstrittenes Konzept ist und eine Vereinigung von Ärzten und Pflegefachleuten die Organentnahme bei Hirntoten verbieten will. Ihre Begründung: Zum Zeitpunkt des Funktionsausfalls des Hirns, wenn also die Organe entnommen werden, sind nur 3% des Körpers, nämlich das Gehirn, tot, die restlichen 97% leben noch. Aus ihrer Sicht sind es also Sterbende und nicht Tote, denen die Organe entnommen werden. Auf die Frage, ob sie diese Argumentation für richtig oder falsch halten, antwortet eine relative Mehrheit von 43% mit falsch (22% falsch, 21% eher falsch), während 40% (22% richtig, 18% eher richtig) die Argumentation als richtig einschätzen. Bemerkenswert ist der Umstand, dass 18% dazu keine Antwort gegeben haben oder sich nicht für die eine oder andere Seite entscheiden können. Beim Hirntodszenario lag der Anteil dieser Gruppe noch bei 2%. Daraus ist zu schliessen, dass die Befragten durch dieses Argument stark beeindruckt wurden und bezüglich Hirntod in der Bevölkerung ein grosses Informationsdefizit besteht.
Bund vernachlässigt seine Informationspflicht sträflich
Swisstransplant stellt die beiden Organentnahmearten (Hirntod/Herzstillstand) im Organspendeausweis extrem vereinfacht dar und setzt diese auf unzulässige Weise gleich. Wer ein Ja ankreuzt oder im elektronischen Register einträgt, befürwortet automatisch beide Organentnahmearten. Das ethisch und rechtlich bindende Prinzip der informierten Zustimmung ist für eine Entscheidung mit dieser Tragweite ein Muss. Laut Statistik des BAG von 2018 haben bei 89% der Organentnahmen Angehörige stellvertretend der Entnahme zugestimmt; nur bei 11% lag eine dokumentierte Zustimmung der betroffenen Person bzw. des Spenders vor. Das zeigt, wie wichtig eine umfassende und korrekte Information der breiten Bevölkerung ist. Der Bund ist laut Art. 61 Abs. 1 und 2 Bst. a Transplantationsgesetz verpflichtet, die Organspender über die Konsequenzen ihrer Willensäusserung zu informieren. Mit der lapidaren Aufforderung “Entscheide dich, egal ob ja oder nein”, ohne zugleich eine Entscheidungsgrundlage zu liefern, missachtet die millionenteure Organspendekampagne des Bundes den gesetzlichen Auftrag.
Zustimmungsregelung versus Widerspruchsregelung
Derzeit gilt in der Schweiz das sogenannte erweiterte Zustimmungsprinzip: Nur wer zu Lebzeiten ausdrücklich seine Bereitschaft zur Organspende erklärt hat, kommt als Organspender in Frage. Ist der Spenderwille nicht bekannt, braucht es für die Organentnahme die Zustimmung der nächsten Angehörigen. In der Schweiz wird aktuell die Diskussion geführt, ob diese Zustimmungsregelung durch die Widerspruchsregelung ersetzt werden soll. Dies bedeutet konkret: Wer sich zu Lebzeiten nicht ausdrücklich gegen die Organentnahme ausgesprochen hat, gilt automatisch als Organspender. Eine knappe Mehrheit von 51% der Befragten spricht sich für den Wechsel zur Widerspruchsregelung aus (29% Ja, 22 % eher Ja), während sich 43% (29% Nein, 14% eher Nein) dagegen aussprachen.
Belohnung der Organspendebereitschaft stösst auf Ablehnung
In der öffentlichen Diskussion wird öfter der Standpunkt vertreten, dass die Organspendebereitschaft belohnt werden müsse. Sollen Patienten, die ihre Bereitschaft zur Organspende erklärt haben, für den Fall, dass sie selber ein Spenderorgan benötigen, bei der Organzuteilung gegenüber jenen Patienten bevorzugt werden, die selber keine Organe spenden wollen? 59% (32% Nein, 27% eher nein) der Befragten lehnen dies ab. 6% wissen es nicht oder haben keine Antwort gegeben. 34% (13% Ja, 21% eher Ja) sind dafür. Mit 78% ist die Ablehnung im Tessin am deutlichsten.
Selbsteinschätzung der öffentlichen Diskussion
Rund ein Fünftel (22%) der Befragten ist der Meinung, durch die öffentliche Diskussion zur Organspende gedrängt zu werden. Im Tessin ist der Anteil derjenigen, welche sich zur Organspende gedrängt fühlen, am höchsten (34%) bzw. nur ein Viertel (25%) der Tessiner empfindet sich «überhaupt nicht gedrängt». Fast zwei Drittel (65%) der Befragten empfindet die öffentliche Diskussion als sachlich und neutral.
Studienresultate online: Grafiken
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