Wenn man nur den Werbeeffekt betrachtet, hat die Organisation «The Last Resort» Mitte Juli 2024 alles richtig gemacht. Die Bilder der futuristisch designten Selbstmordkapsel gingen nach der Medienkonferenz vom 18.7.2024 um die Welt. Positiv sind die vielen ablehnenden Reaktionen zu diesem ethisch verwerflichen Vorhaben, auch nach dem ersten vollzogenen Suizid mit der Selbstmordkapsel in Merishausen (SH).
Die Organisation «The Last Resort» verspricht auf der Webseite «einen freiwilligen, friedlichen und zuverlässigen Tod» zu einem Zeitpunkt der eigenen Wahl. Da drängt sich die Frage auf, ob das bei der Einnahme der tödlichen Dosis des Schlafmittels Natrium-Pentobarbital, wie das die Organisationen Exit und Dignitas praktizieren, etwa nicht der Fall ist?
Es gibt eine Studie aus den Niederlanden, die im Jahr 2000 im angesehenen «New England Journal of Medicine» erschienen ist (Vol. 342 (2000) 551-556). Dabei wurde u. a. der Verlauf von 114 assistierten Suiziden untersucht. In 21 Fällen (18 Prozent) entschied sich der Arzt aufgrund von Komplikationen schliesslich für die Verabreichung eines tödlichen Medikamentes. Das ist Tötung auf Verlangen, was in der Schweiz verboten ist. Bei 19 Prozent betrug die Zeit bis zum Tod nach assistiertem Suizid zwischen 45 Minuten und 7 Tagen. Heute verabreicht man vor der Einnahme der tödlichen Dosis einen sogenannten Magenschoner, ein Medikament, das die Gefahr des Erbrechens und daraus folgende Komplikationen nach der Einnahme der tödlichen Dosis verringert. Alternativ wird das Tötungsmittel durch eine Infusion zugeführt, wobei die Person den Infusionshahn selber öffnen muss.
Die Absicht bei der Selbstmordkapsel «Sarco», deren Entwicklung 650 000 Euro gekostet hat, besteht darin, die Beteiligung von Ärzten bzw. die Notwendigkeit ein ärztliches Rezept einzuholen, zu umgehen. Der dazu benötigte flüssige Stickstoff, durch den die Suizidwilligen ersticken und den sie selber berappen sollen, kostet 18 Franken. Damit wäre es die «kostengünstigste» Methode, wenn da nicht medizinische und juristische Vorbehalte vorhanden wären. Der Walliser Kantonsarzt hatte den Einsatz der Kapsel vorsorglich verboten, als es gemäss Medienberichten hiess, die erste Person, eine 55-jährige US-Amerikanerin werde sich im Wallis im «Sarco» umbringen. Die Person zog sich aber zurück. Sie brauche psychische Betreuung, liess «The Last Resort» verlauten. Tatsächlich nahm sich jene Person zwei Wochen später mit Hilfe einer anderen Sterbehilfeorganisation das Leben. Laut der NZZ vom 31.7.2024 hat die Frau in einem Brief erklärt, durch die Sterbehilfeorganisation finanziell ausgebeutet worden zu sein, was letztere ihrerseits bestritt.
Inzwischen ist es zum ersten Suizid in der Selbstmordkapsel «Sarco» gekommen und zwar am 23. 9.2024 in einem Waldstück, das zu Merishausen im Kanton Schaffhausen gehört. In diesem Zusammenhang kam es zu vier Verhaftungen. Die erste Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhause untersucht den Fall, beschlagnahmte die Selbsttötungskapsel und schaltete laut Blick auch das Institut für Rechtsmedizin in Zürich sowie den forensischen Dienst ein. Eine Amerikanerin (✝︎64) hatte sich zu diesem Selbstmord entschieden.
«Swissmedic» hat die Selbstmordkapsel regulatorisch und heilmittelrechtlich eingeschätzt und gab am 5.8.2024 bekannt, «dass seine Zweckbestimmung dem medizinischen Zweck eines Heilmittels grundlegend widerspricht». Bei «Swissmedic» sollte darüber nachgedacht werden, weshalb hingegen die Einnahme der von einem Arzt verschriebenen tödlichen Dosis des Natrium-Pentobarbitals den medizinischen Zweck eines Heilmittels erfüllen soll!
Fraglich ist, ob die Organisation «The Last Resort» die Urteilsfähigkeit der Sterbewilligen und die Dauerhaftigkeit des Sterbewunsches abklärt bzw. eine Abklärung verlangt. Mit der Selbstmordkapsel ist sicher die Tatherrschaft gegeben, denn der Tod muss selbst und freiwillig herbeigeführt werden. Da die Selbsttötung mit «Sarco» ein aussergewöhnlicher Todesfall ist, müsste der leichenbeschauende Arzt unverzüglich die zuständige Strafuntersuchungsbehörde (Polizei oder Untersuchungsrichter) beiziehen. Mehrere Kantone haben den Betreibern des Sarco bei einem allfälligen Einsatz mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht.
Wie kalt wird es in der Selbstmordkapsel?
Nachdem der Knopf für die Selbsttötung gedrückt wurde, tritt nach ein paar Sekunden der Stickstoff unten aus den Entlüftungsöffnungen. Dann spürt die Person eine Kühle an den Füssen. Das Niveau des kalten Stickstoffs steigt dann sukzessive nach oben und verdrängt die Luft. Würde man den Stickstoff einfärben, gäbe es eine klare Scheidung zwischen dem Stickstoff und der Luft. Die Frage ist, wie kalt dieser Stickstoff ist. Der Siedepunkt von flüssigem Stickstoff beträgt ‑196 °C. Das heisst, bei der Expansion muss er etwas aufgewärmt werden. Jedenfalls – man möge mir die Bemerkung angesichts des makabren Themas verzeihen – wäre es für Frauen wohl angezeigt, vor dem Einsteigen in die Selbstmordkapsel Winterstiefel und eine Winterjacke anzuziehen.
Unabhängig von der Methode des assistierten Suizides gilt: Mit der Intention, sich selber das Leben zu nehmen, kann das «Vaterunser» nicht mehr ehrlich gebetet werden: «Vater unser im Himmel, … dein Wille geschehe». Zudem ist zu beachten, dass die Medizin noch nie so potente Schmerzmittel einsetzen konnte, wie heute. Im Vergleich zu Morphium weist z. B. Fentanyl eine etwa 100-fache Wirkstärke auf. Palliative Care ist die ethisch angezeigte Alternative zum assistierten Suizid. Diesen Standpunkt vertritt die Lehre der Katholischen Kirche.
Dieser Artikel ist zuerst am 19.7.2024 bei www.swiss-cath.ch erschienen. Er wurde aktualisiert und wird auch im nächsten HLI-Report erscheinen.