Sehr geehrte Damen und Herren
Wir danken für die Gelegenheit zur Stellungnahme in obgenannter Angelegenheit und äussern uns dazu wie folgt:
-
Formelles
Am 28. Februar 2016 ist die Volksinitiative „Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe“ hauchdünn abgelehnt worden (50,8 % Nein-Stimmen; 16 1/2 Kantone stimmten ihr zu). In einer Medienmitteilung vom 15. Juni 2018 musste der Bundesrat einräumen, dass er das Stimmvolk im Vorfeld der genannten Abstimmung mit krass irreführenden Zahlen hinters Licht geführt hatte. In der Folge reichten mehrere Privatpersonen Beschwerde ein mit dem Antrag, die eidgenössische Abstimmung sei aufzuheben bzw. eine Verletzung der politischen Rechte der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger festzustellen. Mit Urteil vom 10. April 2019 hiess das Bundesgericht die Beschwerde gut.
In Respektierung der politischen Entscheidungsprozesse eines direkt-demokratischen Staates, wie es die Schweiz ist, beschloss die Wirtschaftskommission des Ständerates nach Kenntnisnahme des bundesrätlichen Zahlenschwindels, die Beratungen der bundesrätlichen Vorlage vom März 2018 zur Eliminierung der Heiratsstrafe bis zum Vorliegen des Urteils des Bundesgerichts zu sistieren. Nicht so die Mehrheit Ihrer Kommission: In Verkennung und Missachtung demokratisch-rechtsstaatlicher Grundsätze eröffneten Sie am 14. März 2019, also nur wenige Wochen vor dem einschlägigen Bundesgerichtsurteil, ein Vernehmlassungsverfahren mit dem Ziel der Legalisierung der „Ehe für alle“ und der Samenspende für lesbische Paare. Eine solche Vorgehensweise mag rein formaljuristisch korrekt sein. Es ist jedoch staatspolitisch ausgesprochen widersinnig, wenn eine Kommission des Nationalrates die politsch interessierte Öffentlichkeit mit einer Vorlage behelligt, ohne vorab die Zustimmung des Plenums der eigenen Kammer geschweige denn jene des Zweitrates, sprich des Ständerates, eingeholt zu haben. Es kann nicht sein, dass allein aus Gründen der Profilierungssucht mutwillig ein Leerlauf in Kauf genommen wird. Um einen solchen Leerlauf würde es sich handeln, wenn entweder das Plenum des Nationalrates oder des Ständesrates das Projekt “Ehe für alle” nach dem Gusto Ihrer Kommission zurückweisen würde.
Sollte nun, wie es die Juristen der Bundesverwaltung und renommierte Staatsrechtler wie die Professoren Ulrich Saxer und Rainer J. Schweizer korrekterweise fordern, die Abstimmung über die gleiche Vorlage tel quel dem Stimmvolk erneut unterbreitet werden, würde sich im Falle einer Annahme Ihr Vorpreschen vollends als eine zeit- und ressourcenverschleissende, ideologiegesteuerte Nullnummer erweisen.
-
Materielles
Human Life International (HLI) lehnt das Gesetzgebungsprojekt „Ehe für alle“ und insbesondere die darin enthaltene Zusatz-Variante der Legalisierung der Samenspende für lesbische Paare ab. Nach klassischem Verständnis ist die Ehe eine Verbindung von Mann und Frau, ihrer Natur nach hingeordnet auf die Weitergabe des Lebens. Die Zeugung von Nachkommen kann mit Fug als ihr Alleinstellungsmerkmal bezeichnet werden, sie ist einem gleichgeschlechtlichen Paar, sei es homosexuell oder lesbisch, nicht möglich.
Professor Ottfried Höffe, ehemals Präsident der Nationalen Ethikkommission, hat diesen Fakt wie folgt umschrieben: „Der Grund, nicht die eingetragene Partnerschaft, wohl aber die Ehe auf heterosexuelle Partner zu beschränken, liegt auf der Hand: Ausschliesslich die heterosexuelle Beziehung ist über die Bedingungen blosser Partnerschaft, also Dauer, Verlässlichkeit und Intimität, hinaus auf die Zeugung von Nachkommen angelegt. Gewiss, die einzelnen Ehepaare müssen Kinder weder haben können noch wollen. Die Ehe als Rechtsinstitut ist aber auf die für die Menschheit existentiell notwendige Zeugung von Nachkommen angelegt. Diese ist nämlich nicht bloss langfristig für die Fortpflanzung des Menschengeschlechts, sondern schon mittelfristig für jene nächste und übernächste Generation unerlässlich, die die finanzielle Rente, die soziale und die medizinische Altersvorsorge der Eltern- und Grosselterngeneration übernimmt“ (Ottfried Höffe, Die Ehe für alle ist kein Gebot säkularen Rechts, in: Neue Zürcher Zeitung vom 16. März 2019, S. 12).
Ein unserer Rechtskultur inhärenter, unbestrittener Grundsatz lautet: Gleiches ist nach Massgabe seiner Gleichheit gleich, Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit un–gleich zu behandeln. Es ist deshalb geradezu grotesk, wenn im Erläuternden Bericht behauptet wird, der Vorbehalt des Rechtsinstituts der Ehe für heterosexuelle Paare und das Verbot der Samenspende für lesbische Paare käme einer Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare gleich (vgl. S. 15 et passim). Das Gegenteil ist der Fall. Eine Legalisierung des Gesetzgebungsprojektes „Ehe für alle“ und insbesondere der Samenspende für lesbische Paare würde vielmehr darauf hinauslaufen, Ungleiches gleich zu behandeln. Um nochmals Professor Höffe zu zitieren: „Homosexuellen Paaren ist das „dafür sachgerechte Rechtsinstitut, die eingetragene Partnerschaft, zu gewähren. Alles andere widerspräche dem so grundlegenden Gleichheitsgebot und dem nicht minder grundlegenden Diskriminierungsverbot“ (l.c.).
Ausgesprochen befremdend wirkt die Art und Weise, wie die Mehrheit Ihrer Kommission mit Rechtsgutachten und wissenschaftliche Gesetzeskommentaren umgeht. Nicht ins
ideologische Konzept passende Feststellungen werden ausgeblendet oder nur partiell zur Kenntnis genommen, bei fehlendem wissenschaftlichem Support werden auf die Schnelle bestellte, als „Kurzgutachten“ getarnte Werbespots in eigener Sache aus dem Hut ge-
zaubert. So wird im Erläuternden Bericht eingeräumt, dass gemäss „den Materialien und einem Teil der Lehre der Ausschluss gleichgeschlechticher Paare von den Fortpflanzungsmedizinverfahren direkt auf der Bundesverfassung (Art. 199 Abs. 2 Bst. c B) beruhe, da der verfassungsrechtliche Begriff der Unfruchtbarkeit nur auf verschieden-geschlechtliche Paare anwendbar sein könne (S. 15). Das zu dieser Thematik erstellte Rechtsgutachten des Bundesamtes für Justiz vom 7. Juli 2016 hält demgegenüber fest: „Gemäss den Materialien und dem überwiegenden Teil der Lehre beruht der Ausschluss homosexueller Paare von Fortpflanzungsmedizinverfahren direkt auf der Bundes-verfassung…“ (S. 8). Was läge also näher, als sich dieser Auffassung anzuschliessen und konsequenter- und ehrlicherweise dem Stimmvolk eine Revision der Bundesverfassung vorzuschlagen, wenn man denn diese Art der Fortpflanzung auf Biegen und Brechen legitimiert haben will? Aber nein, wäre ja viel zu riskant und mühsam, darf doch nicht sein, dass ein so fortschrittliches Gleichstellungsprojekt allenfalls gar am schnöden Ständemehr scheitern würde. Das von Ihrer Kommission bestellte, auf S. 15 allen Ernstes als „Gutachten“ apostrophierte Elaborat des Lesben-Lobbyisten Andreas Ziegler lieferte das gewünschte Resultat: Nur der Bundesverwaltung und einigen wenigen älteren (sic) Autoren sei die Tatsache geschuldet, dass der Begriff „Unfruchtbarkeit“ im Sinne von Art. 119 Abs. 2 Bst. c BV gemischtgeschlechtlichen (sic). Paaren vorbehalten worden sei. Einer verfassungsfreien Ausweitung der Fortpflanzungsmedizin auf gleichgeschlechtliche Paare stehe mithin nichts im Wege. Die semantische Umpolung, ja Verfälschung zentraler rechtsstaatlicher Begriffe wie „Gleichstellung“ und „Diskriminierung“ wird hier auf die Spitze getrieben.
Schliesslich würde die Legalisierung der Samenspende für lesbische Paare bedeuten, einem Kind seinen Vater wissentlich und willentlich vorzuenthalten. Der gegenwärtig flächendeckend grassierende, zunehmend alle gesellschaftlichen Segmente in Beschlag nehmende Kult der Selbstbestimmung bzw. Autonomie geht auch in diesem existentiellen Bereich unausweichlich einher mit einer massiven Fremdbestimmung und Instrumentalisierung von Dritten, in casu den Kindern. Besonders krasse, menschenverachtende Formen nimmt dieser Ego-Kult an, wenn – wie in einem Beispiel der NZZ vom 29. Mai 2019 geschildert – der Samenspender zeitlebens anonym bleibt. Das betroffenen Kind wird zeit seines Lebens nie wissen, wer sein Vater ist.
Mit bestem Dank für die Kenntnisnahme und freundlichen Grüssen
Human Life International (HLI) Schweiz
Zug, den 21. Juni 2019