(Zug, 28.9.2018) Die geltende Regelung für die Todesfeststellung nach Herz-Kreislauf-Stillstand vor Organentnahmen ist untauglich, weil trotz der geprüften Reflexe der irreversible Funktionsausfall des Gehirns nicht bewiesen werden kann. HLI-Schweiz und die Vereinigung der Katholischen Ärzte der Schweiz (VKAS) fordern deshalb eine unabhängige Untersuchung, ob die Regelung gegen das Transplantationsgesetz verstösst. Sie verlangen den sofortigen Stopp aller Organentnahmen nach Herz-Kreislaufstillstand, bis die Angelegenheit geklärt ist. Beim Organspendeausweis von Swisstransplant besteht keine Wahlmöglichkeit der Organspendeart. Die unlauteren Werbemethoden von Swisstransplant führen deshalb zu Organspenden ohne informierte Zustimmung. HLI-Schweiz und die VKAS verlangen eine umfassende Aufklärung aller Personen, die bisher in der Schweiz bei Swisstransplant einen Organspendeausweis angefordert haben.
(Zug, 28.9.2018 ) Bei mehr als einem Viertel der sogenannten postmortalen Spender werden in der Schweiz die Organe nach Therapieabbruch / anhaltendem Herz-Kreislaufstillstand entnommen (2017: 27%). Schon ab 1985 wurde diese Entnahmeart am Universitätsspital in Zürich bei Nierentransplantationen praktiziert.[1] Zwischen 2007 und 2011 wurde diese Organentnahmeart wegen rechtlichen Unsicherheiten gestoppt. In diesen Jahren wurden den Organspendern nur mehr nach dem klassischen Hirntod aufgrund einer primären Hirnschädigung Organe entnommen.
Den meisten Trägern eines Organspendeausweises von Swisstransplant ist kaum bewusst, dass sie automatisch beiden Entnahmearten zustimmen. Seit der Wiederaufnahme der Organspenden nach Herz-Kreislaufstillstand im Jahr 2011 aufgrund der revidierten Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) werden die Schweizer Bürger nur unzureichend über die rechtlich und medizinisch umstrittene Todesfeststellung nach Therapieabbruch / Herz-Kreislaufstillstand (DCD/NHBD)[2] informiert. Von 2011 bis 2017 wurde nach dem Herz-Kreislauf-Stillstand eine Wartezeit von 10 Minuten eingehalten. Der Stillstand des Herzens wurde in dieser Zeit mit Echokardiographie nachgewiesen. Anschliessend werden beim Patienten die gleichen Reflexe geprüft, die auch beim klassischen Hirntod gelten. Ab diesem Zeitpunkt gilt der Patient als tot, so dass sofort die Organe entnommen werden können. Die SAMW hat im Jahr 2017 die Wartezeit auf 5 Minuten halbiert und somit den Todeszeitpunkt vorverlegt, um im Sinne der Organempfänger frischere Organe zu bekommen. Nach der Todesdefinition des Transplantationsgesetzes Art. 9 Abs. 1 dürfen einem Menschen nur Organe entnommen werden, „wenn die Funktionen seines Hirns einschliesslich des Hirnstamms irreversibel ausgefallen sind.“
Eine Studie der Bioethikerin A.L. Dalle Ave und des Neurologen J.L. Bernat aus dem Jahr 2016 zeigt auf, dass diese unerlässliche Bedingung für die Organspende gar nicht gegeben ist: „Allerdings ist die Behauptung, dass Patienten mit diesen Tests hirntot sind, nicht stichhaltig, da die beschriebenen Tests keine Irreversibilität nachweisen können.“[3] Explizit verweisen sie in ihrem Artikel auf die SAMW-Richtlinien mit der damals noch 10minütigen Wartezeit. In ihrer Untersuchung kommen sie zu folgendem Schluss: „Eine Stillstandszeit von 5 bis 10 Minuten reicht nicht aus, um die für die Bestimmung des Hirntodes notwendige irreversible Einstellung aller Hirnfunktionen zu erreichen. … Daher erfüllen Organspender nach Herz-Kreislaufstillstand zum Zeitpunkt, bei dem sie als tot erklärt werden, die Voraussetzung der Irreversibilität für den Hirntod nicht“.[4] Gerade wegen dieser Unsicherheit bei der Todesfeststellung ist in Deutschland die Organentnahme nach Herz-Kreislaufstillstand nach wie vor verboten.[5]
Steuermillionen für schlecht informierende Organspende-Kampagne
Seit 2013 finanziert der Bund die Organspende-Kampagne jedes Jahr mit einem Millionenbetrag. Die Webseite von Swisstransplant informiert zwar über die Organentnahme nach Therapieabbruch / Herz-Kreislaufstillstand. Aber in den TV-Spots wurde dieses heikle Thema bisher ausgeklammert und lediglich dazu aufgerufen, sich zu entscheiden ohne aber die wichtigen Informationen für eine Entscheidungsgrundlage zu liefern. Die Öffentlichkeit wird nur spärlich über die Organspende nach Herz-Kreislauf-Stillstand informiert. Das gilt auch für die offizielle von Swisstransplant herausgegebene Broschüre mit dem Organspendeausweis. Sie stellt die beiden Entnahmearten faktisch gleichwertig dar und unterschlägt die Wartezeit nach Herz-Kreislaufstillstand. Swisstransplant lässt auch keine Differenzierung des Spenderwillens auf dem Organspendeausweis zu. Angesichts dieser gravierenden Mängel kann nicht mehr von einer informierten Zustimmung zur Organspende ausgegangen werden.
Forderungen von HLI-Schweiz und der Vereinigung der Katholischen Ärzte der Schweiz (VKAS)
- HLI-Schweiz und die VKASfordern eine von der SAMW und der Transplantationsmedizin unabhängige Untersuchung, ob der nach Transplantationsgesetz Art. 9 Abs. 1 geforderte irreversible Ausfall der Funktionen des Gehirns einschliesslich des Hirnstamms in jedem Fall nach Therapieabbruch und anhaltendem Herz-Kreislauf-Stillstand erfüllt ist. Ausdrücklich muss die Behauptung in Fussnote 22 der derzeit geltenden SAMW-Richtlinien geprüft werden: „Ohne Sauerstoff tritt der neuronale Zelltod in weniger als 5 Minuten ein.“
- Die Organentnahmen nach Herz-Kreislaufstillstand müssen gestoppt werden, bis die Angelegenheit geklärt ist.
- HLI-Schweiz und die VKAS fordern eine umfassende Aufklärung über die Organentnahme nach Therapieabbruch und anschliessendem Herz-Kreislaufstillstand für alle Personen, die bisher in der Schweiz bei Swisstransplant einen Organspendeausweis angefordert haben. Eine solche Information ist auch für den Eintrag in ein Organspenderegister unerlässlich. Auch muss die Organspende nach Herz-Kreislaufstillstand abgelehnt werden können.
- Swisstransplant muss den Aufbau des Nationalen Spenderegisters aussetzen, bis alle Unklarheiten beseitigt sind und garantieren, dass potenzielle Organspender vor ihrer Registrierung umfassend informiert sind.
KONTAKT:
Human Life International (HLI) Schweiz, Postfach 15, 6301 Zug
041 710 28 48, office@human-life.ch, Webseite: www.human-life.ch
Vereinigung der Katholischen Ärzte der Schweiz (VKAS)
Frau Dr. Rahel Gürber, Tel. 043 818 53 83
Quellen:
https://www.swisstransplant.org/de/nationalesorganspenderegister/
[1] Lenherr R., Krones T., Das Zürcher DCD-Programm: Geschichte, ethische Aspekte und praktische Erfahrungen. Bioethica Forum 9 (2016) 9-16.
[2] DCD=Donation after Cardiocirculatory Death ; NHBD= Non-Heart-Beating Donation;
[3] Originalzitat: „However, claiming patients are brain dead using these tests is invalid because the tests as described cannot prove irreversibility“. Dalle Ave A.L., Bernat J.L., Using the brain criterion in organ donation after the circulatory determination of death. J Crit Care 33 (2016) 114-118, hier 116.
[4] Originalzitat: „A stand-off period of 5 to 10 minutes is insufficient to achieve the irreversible cessation of all brain functions that is necessary to determine brain death. Studies on the outcomes of out-of-hospital cardiac arrest patients suggest that some neurons in the human brain may survive a deprivation of circulation of at least 20 minutes and animal studies suggest that some brain functions may be restored after a deprivation of circulation of 30 to 60 minutes. Therefore, DCDD donors at the time they are declared dead do not satisfy the irreversibility requirement of brain death“ (Ebd. 117).
[5] Heide W., «Non-heart-beating donors» sind nicht geeignet. Nervenarzt 87 (2016) 161-168.