Abtreibung: Zwei neue Initiativen, kaum gestartet, sofort beginnt Desinformationskampagne

Das Wort „Lügenpresse“ ist in letzter Zeit aus den Schlagzeilen weitgehend verschwunden und doch top-aktuell. Um was geht es?

Am 21. Dezember 2021 starteten die Unterschriftensammlungen für zwei eidgenössische Volksinitiativen. Die erste verlangt, dass vor jeder Abtreibung ein Tag Bedenkfrist für die Frau eingeführt wird, um überstürzte Entscheidungen zu vermeiden. Die zweite will Spätabtreibungen verhindern. Dies für den Fall, dass das betroffene Kind sich in einem Stadium befindet, in welchem es ausserhalb des Mutterleibes überlebensfähig ist. Ausdrücklich wird festgehalten, dass ein Abbruch stets möglich sein soll, wenn das Leben der Frau in Gefahr ist. Vor allem was letzteres betrifft, behaupteten Medien tatsachenwidrig das pure Gegenteil. So die sich linksaussen positionierende Wochezeitung „WoZ“: die Initiativen wollten Spätabtreibungen verhindern, „selbst wenn lebensbedrohliche Umstände bestehen.“ Sogar die als Qualitätszeitung firmierende ‚Neue Zürcher Zeitung“ musste in einem mittlerweile zu ihrem Alltag gehörenden „Korrigendum“ eine Richtigstellung vornehmen, hatte sie doch mehrfach fälschlicherweise behauptet, dass die beiden Initiativen von der SVP lanciert worden seien. Tatsächlich hat die SVP bis dato überhaupt noch nicht Stellung genommen. Vielmehr wurden sie von privater Seite lanciert. Dazu gehören zwei SVP-Frauen sowie Angehörige der Partei ‚die Mitte‘ und der EDU.

Alex Reichmuth, Redaktor des neu lancierten ‚Nebelspalter‘, hat das Desinformations-Kartell der Mainstream-Medien unter die Lupe genommen. Hier sein faktenbasierter Befund (Wiedergabe des Artikels mit freundlicher Genehmigung des Autors, dem wir an dieser Stelle danken):

 

Initiativen gegen Abtreibungen: Die Gegner verbreiten Fake News

Originalartikel: https://www.nebelspalter.ch/initiativen-gegen-abtreibungen-die-gegner-verbreiten-fake-news
13.01.22, 14:31
von Alex Reichmuth

Bild: Abtreibungsgegner an der Kundgebung „Marsch fuers Laebe“ im September 2021 in Zürich Oerlikon. Bild: Keystone

Im Dezember haben Personen der SVP, der EDU und der Mitte zwei Initiativen lanciert, die die Zahl der Abtreibungen verringern sollen. Seither verbreiten Politiker und Journalisten falsche Informationen zu den Volksbegehren. Das ist wohl kaum Zufall.

Am 21. Dezember startete die Unterschriftensammlung für gleich zwei Initiativen zum Thema Abtreibung. Die «Einmal-darüber-schlafen-Initiative» verlangt, dass vor jeder Abtreibung ein Tag Bedenkzeit der Frau eingeführt wird (siehe hier). So sollen überstürzte Entscheidungen verhindert werden. Die Schwangere soll die Möglichkeit haben, den Leitfaden mit Hilfsstellen, der ihr vom Arzt überreicht wird, zu konsultieren und allenfalls um Hilfe nachzufragen.

Die «Lebensfähige-Babys-retten-Initiative» will Spätabtreibungen verhindern (siehe hier). Wenn sich das heranwachsende Kind soweit entwickelt hat, dass es ausserhalb des Mutterleibes überleben könnte, soll eine Abtreibung verboten sein. Das ist ab etwa der 22. Schwangerschaftswoche der Fall. Ein Abbruch soll aber möglich bleiben, wenn das Leben der Frau in Gefahr ist.

Auch viele Männer in den Initiativkomitees
Die beiden Initiativkomitees werden angeführt von den SVP-Nationalrätinnen Andrea Geissbühler und Yvette Estermann, dem SVP-Nationalrat Erich von Siebenthal, der Zürcher SVP-Kantonsrätin Maria Rita Marty sowie von Lucie Rochat (SVP) und Floriane Mabillard (parteilos). Klar ist aber, dass es weder Initiativen der offiziellen SVP noch einer Gruppierung «SVP-Frauen» sind. In den Initiativkomitees sitzen auch Angehörige der EDU und der Mitte-Partei. Zudem ist eine ganze Zahl von Männern vertreten (siehe hier und hier).

Seit die Initiativen vor Weihnachten gestartet sind, werden dazu auffällig viele falsche Informationen verbreitet. So titelten am Tag des Start mehrere Medien, darunter «Watson» und «Nau.ch»: «SVP-Frauen lancieren zwei Initiativen für weniger Abtreibungen» (siehe hier und hier). Wie erwähnt, stehen hinter den Volksbegehren aber auch Vertreter anderer Parteien und insbesondere viele Männer.

Die NZZ musste sich korrigieren
Ebenso falsch betitelte «Watson» tags darauf einen Kommentar in der französischen Ausgabe mit: «Die SVP attackiert die Abtreibungen in der Schweiz, und das ist eine Schande» (siehe hier). Die Volkspartei selber hat aber mit den Initiativen nichts zu tun. Doch auch die «Neue Zürcher Zeitung» schrieb: «SVP lanciert zwei Initiativen gegen Abtreibungen». Einige Tage später musste die Zeitung diese falsche Aussage in einem Korrigendum richtigstellen.

Bild: SVP-Nationalrätin und Mit-Initiantin Andreas Geissbühler. Bild: Keystone

Bild: SVP-Nationalrätin und Mit-Initiantin Yvette Estermann. Bild: Keystone

«Bluewin.ch» wiederum behauptete: «Zwei SVP-Politikerinnen stellen sich gegen die eigene Partei» (siehe hier). Gemeint waren Geissbühler und Estermann. Von Opposition gegen die eigene Partei kann aber keine Rede sein: Die SVP-Parteileitung hat bisher keine Stellung zu den Volksbegehren genommen.

Doppelt falsche Behauptung von Camille Lothe
Zu Wort meldeten sich aber einzelne Gegnerinnen der Initiativen. So machte Camille Lothe, Präsidentin der Jungen SVP Zürich, ihre Abneigung gegen die Initiativen öffentlich. Sie verstehe nicht, twitterte Lothe, warum «unserer Partei ein Abtreibungsverbot nach der 12. Schwangerschaftswoche bei lebensbedrohlichen Umständen für die Mutter anstreben soll».

Twitter:

Camille Lothe
@CamilleLotheZH
Liebe Parteikolleginnen,
Als Frau ist es für mich unverständlich, wieso
unsere Partei ein Abtreibungsverbot nach der
12. Schwangerschaftswoche bei
lebensbedrohlichen Umständen für die Mutter
anstreben soll. Ich werde diese Initiative
bekämpfen.

Das war gleich doppelt falsch: Erstens sollen nicht Abtreibungen ab der 12. Woche verboten werden, sondern wie erwähnt erst ab etwa der 22. Woche. Zudem ist ein Abbruch bei lebensbedrohlichen Umständen für die Mutter explizit erlaubt. Trotzdem räumte der «Blick» Lothe viel Platz ein. Zudem schrieb die Zeitung: «Aktuell sind Schwangerschaftsabbrüche in der Schweiz bis weit nach der 12. Schwangerschaftswoche möglich, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Auch eine geistige oder körperliche Behinderung des Ungeborenen kann ein Grund für einen späten Abbruch sein, da dies manchmal erst spät diagnostiziert wird.» (siehe hier)

Der «Blick» zeichnete ein falsches Bild
Der «Blick» vermied es aber, den wohl häufigsten Grund für einen Abbruch nach der 12. Woche zu erwähnen: eine «schwere seelische Notlage» der Schwangeren, wie sie von einem Arzt bestätigt werden muss. Der «Blick» suggerierte mit dieser Unterlassung fälschlicherweise, dass schon heute eine Abtreibung nach der 12. Woche nur bei einer Krankheit oder Missbildung des Fötus oder bei einer Gefahr für die Mutter möglich sei.

«20 Minuten» wiederum berichtete über die ablehnende Haltung der SP-Nationalrätinnen Yvonne Feri und Barbara Gysi gegenüber den Initiativen (siehe hier). Konkret schrieb «20 Minuten» zur Bedenkzeit-Initiative: «Diese Initiative suggeriere, dass zum jetzigen Punkt keine vorangehendenGespräche stattfinden würden, meint Feri. Das ist beim Wunsch nach einer Abtreibung jedoch schon jetzt der übliche Ablauf.» Die Initianten haben aber nirgendwo suggeriert, dass es vor einer Abtreibung keine Gespräche mit Fachleuten gebe. Sie verlangen lediglich, dass zwischen der Beratung und dem Abbruch mindestens eine Nacht liegen muss.

Falsche Aussage der «Wochenzeitung»
Am 6. Januar liess sich die «Wochenzeitung» herab, die Initiativen zu kommentieren – unter dem Titel «Entmündigung» der Frauen» (siehe hier). Die Zeitung behauptete, dass eine der beiden Initiativen Spätabtreibungen verhindern wolle, «selbst wenn lebensbedrohliche Umstände bestehen». Das ist, wie erwähnt, komplett falsch. Ein solche Häufung von Falschaussagen und irreführenden Behauptungen von Politikerinnen und Journalisten fällt auf. Natürlich passen die Initiativen den meisten politischen Kommentatoren überhaupt nicht in den Kram. Offenbar fehlen ihnen aber immer wieder die Argumente – und sie müssen sich bei Fake News bedienen.

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