HLI-Schweiz veranlasst die Überprüfung aller IVF-Kliniken wegen Unstimmigkeiten in den Statistiken über die assistierte Fortpflanzungsmedizin

Die Organisation HLI-Schweiz hat bei den Statistiken über die Fortpflanzungsmedizin Unstimmigkeiten festgestellt.
Nach den Zahlen des Bundesamtes für Statistik und der Organisation FIVNAT gab es 2012 Kliniken oder Praxen, die mehr als die gesetzlich erlaubten maximal drei Embryonen transferierten.

Gemäss Art. 37 Abs. g sowie Art. 17 Abs. 1 des Fortpflanzungsmedizingesetzes (FMedG) wird eine vorsätzliche Übertetung dieser Bestimmung mit Haft oder Busse bis 100’000 Franken bestraft.

Die Verfolgung und die Beurteilung dieses Offizialdeliktes obliegt den Kantonen.
HLI-Schweiz hat deshalb Ende April alle Kantonsärzte schriftlich aufgefordert, die Protokolle in den IVF-Kliniken von 2012 bis Ende April 2014 nachzuprüfen.
HLI verlangt eine rasche und lückenlose Aufklärung durch die zuständigen kantonalen Behörden sowie die Einleitung einer strafrechtlichen Verfolgung der fehlbaren Kliniken.

Bis auf eine Klinik erhebt die FIVNAT als Arbeitsgruppe der Schweizerischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (SGRM) die statistischen Daten für die IVF-Kliniken der Schweiz und meldet diese anonymisiert an das Bundesamt für Statistik weiter. Die FIVNAT erklärte auf Anfrage von HLI-Schweiz, es seien in den beanstandeten Zyklen neben den maximal drei Embryonen zusätzlich Zygoten transferiert worden. Nur durch eine Prüfung der Laborprotokolle kann ermittelt werden, ob die Vorkerne schon verschmolzen waren. In jenem Fall wären die Zygoten gemäss Gesetz einzellige Embryonen und der Straftatbestand für ein Offizialdelikt wäre erfüllt. In einem Embryotransfer gleichzeitig unterschiedliche Entwicklungsstadien zu übertragen ist experimentell und zählt nicht zu den Standardverfahren der In-vitro-Fertilisation.

Erhöhtes Risiko für Mehrlingsschwangerschaften
Vier bis sechs Embryonen und Zygoten zu transferieren, entspricht nicht der ‚good clinical practice‘. Das Risiko für Mehrlingsschwangerschaften und den zahlreichen damit verbundenen Problemen, wie Schwangerschafts¬reduktion, Frühgeburten, usw. wird dadurch wesentlich erhöht.
Ausserdem ist es inakzeptabel, dass in der Statistik 2012 bei 15 Zyklen nicht zugeordnet werden konnte, ob nur einer, zwei, drei oder mehr Embryonen übertragen wurden. Die FIVNAT-Statistik 2010 beweist, dass diese Zuordnung ausnahmslos möglich ist.
Die Frage stellt sich deshalb, ob die verantwortlichen Zentren nicht in der Lage oder nicht willens sind, nach den Vorgaben des FMedG zu arbeiten.

Unabhängige und regelmässige Kontrolle der Zentren ist unerlässlich
Gemäss dem FIVNAT-Jahresbericht 2012, der auf www.sgrm.org veröffentlicht wurde, nehmen zahlreiche Kantonsärzte ihre Aufsichtspflicht nicht wahr. Die gesetzlich geforderte Unabhängigkeit der Kontrolle wird nicht immer erfüllt. Die bisherige Kontrolle der Fortpflanzungsmedizin via Verordnungen des Bundesrates hat sich als nicht praxistauglich erwiesen. Insbesondere die in Art. 14 Abs. 2 der Fortpflanzungsmedizinverordnung (FMedV) enthaltene Bestimmung macht eine zentrale Kontrolle unmöglich: „Die Daten dürfen keinen Hinweis auf die reproduktionsmedizinischen Zentren enthalten.“ Das ist etwa so sinnvoll, wie wenn bei Radarkontrollen im Strassenverkehr die Geschwindigkeitsübertretungen nur anonymisiert erfasst würden.

Unsinnige Anonymisierung der Zentren in den Statistiken
Die Meldung der Daten in anonymisierter Form an das Bundesamt für Statistik gemäss Art. 14 Abs. 2 der FMedV ist ein völliger Unsinn, der durch eine Revision der FMedV behoben werden muss. Art. 11 des FMedG verlangt keine Anonymisierung der Zentren, sondern nur, dass die Statistik keine Angaben enthalten dürfe, die auf bestimmte Personen schliessen lassen. Die Kontrolle und die Strafverfolgung sollte zentral durch ein Organ des Bundes erfolgen.

Mit Blick auf die derzeitige Behandlung des FMedG durch das Parlament fordert HLI-Schweiz: Der Bundesrat darf nicht per Gesetz die Kompetenz erhalten, Organisationen öffentlichen oder privaten Rechts in der assistierten Fortpflanzungsmedizin Kontrollvollzugsaufgaben zu delegieren. Die FIVNAT kontrolliert sich dann nicht nur selber, sondern würde dafür auch noch gemäss Vorschlag des Bundesrates (Art. 12 Abs. 3 FMedG) bezahlt! Alle Kontrollkosten sind der Reproduktionsmedizin zu belasten und nicht den Steuerzahlern! In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass der Ständerat eine Verbesserung der Kontrollpraxis am 9.12.2009 abgewürgt hatte, nachdem der Nationalrat dieser am 11.6.2009 bereits zugestimmt hatte (Kommissionsmotion 08.3751). Es ist paradox, über eine Ausweitung der Fortpflanzungsmedizin in Richtung Präimplantationsdiagnostik zu debattieren, so lange nicht einmal eine unabhängige Aufsicht und Kontrolle gemäss bisherigem Gesetz gewährleistet ist.

HLI-Schweiz hat die Kantonsärzte dazu aufgefordert, folgende Fragen zu klären:

a) Gibt es Übertragungen, bei denen mehrzellige Embryonen und Zygoten gemeinsam transferiert wurden?
b) Wurde die maximale Zahl (drei) der übetragenen Embryonen gemäss FMedG Art. 17 Abs. 1 und der Defintion Art. 2 Bst. i. überschritten?
c) Aus welchen Gründen gibt es Zyklen, bei denen sich die Zahl der übertragenen Embryonen angeblich nicht zuordnen lässt?

HLI-Schweiz erwartet mit Spannung die Untersuchungsergebnisse der kantonalen Behörden. Die Parlamentarier sind aufgefordert, alle Massnahmen zu ergreifen, welche die volle Transparenz in der assistierten Fortpflanzungsmedizin gewährleisten und Missbräuche effizient verhindern.
KONTAKT:
Human Life International (HLI) Schweiz
Postfach 1307
6301 Zug
041 710 28 48
office@human-life.ch
human-life.ch

Quelle/Links:

Brief an die Kantonsärzte der Schweiz:
human-life.ch/upload/dokumente/2014-04-30-Kantonsaerzte-SGRM.pdf

Statistik FIVNAT 2012 (Stand: 31.03.2014):
sgrm.org/wb/media/FIVNAT/FIVNAT_Statistik_2012_vs_31_03_2014.pdf

Statistik BFS 2012 (Stand: 25.03.2014, Tabelle T14.2.4.34):
bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/14/02/03/key/02.Document.112258.xls
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